Sonntag, 2. Oktober 2011

Gerade gehört: Glen Campbell vs Jeff Bridges


In diesen Tagen sind die Alben zweier älterer Herren erschienen, die ich nun so oft gehört habe, dass ich inzwischen kaum glauben kann, dass sie rein zufällig so zeitgleich erschienen sind. Warum? Weil man sie so schön vergleichen kann und dabei kaum Gemeinsamkeiten ausmachen kann, sie aber trotzdem prima zusammen passen.
Schon rein formal könnten die Unterschiede kaum größer sein: für den 61-jährigen Jeff Bridges ist es sein Debut (ok, ich weiß, Bridges hat schon früher einmal ein Album eingespielt. Ich habe das aber einmal gehört und sofort wieder vergessen), für den 13 Jahre älteren Glen Campbell wohl eher sein Abschiedsalbum. Und während Campbell versucht, "ganz großes Kino" zu machen, hat der andere, der tatsächlich Schauspieler von Beruf ist, ein Album ohne große Ambitionen abgeliefert. Nach Jeff Bridges' Erfolg mit seiner Rolle als abgehalfteter Countrysänger in dem wunderbaren Film Crazy Heart, für dessen Soundtrack er bereits fünf Songs eingespielt hatte, lag es beinahe nahe, dass er es mit einem kompletten Album versuchen könnte, das ihn nicht so sehr auf das Countrygenre festlegen würde; was gelungen zu sein scheint, denn auf dem bei Blue Note erschienen Werk finden sich auch Blues- und Pop- und Folkmelodien, die Mischung, die man heute Americana nennt, um das vom klassischen Country abzugrenzen.

Einem Country, dem Glen Campbell stets verpflichtet war. Doch auch er liefert auf seinem neusten Werk Ghost on the Canvas eher ein Popalbum ab. Das hat möglicherweise damit zu tun, das Campbell nach einer Alzheimerdiagnose mit diesem finalen Album noch einmal sein Leben Revue passieren lassen wollte, weswegen das ein sehr persönliches Album geworden ist. Die zu befürchtende Gefühlsduselei blieb dabei aber glücklichwerweise aus. Das liegt ganz klar an den Songschreibern, die Campbell engagiert hat. Leute wie Paul Westerberg, Jakob Dylan, Teddy Thompson oder Robert Pollard kommen eher aus der alternativen Musikszene und ihr Songwriting trägt wesentlich zum Reiz dieses teilweise äußerst hörenswerten Albums bei.

Für manchen US-amerikanischen Musikkritiker ist dieses Album aber zu "weich". Mit Sentimentalität könnte der klassische Countryhörer sicher umgehen, mit Schwäche und Ängsten eher nicht. Campbells innere Einkehr und die daraus entspringenden Einsichten machen das Album für mich allerdings erst interessant, gehörte er doch nie zu meinen liebsten Sängern, sondern stand spätestens seit Rhinestone Cowboy 1975 auf meiner Blacklist. Countrypop vom Schlimmsten, was man damals beim AFN zu hören bekommen konnte. So etwas findet man hier aber glücklicherweise nicht.

Auch Jeff Bridges hat für sein Album äußerst gemischte Kritiken bekommen. Vor allem die Songauswahl wurde oft kritisiert (zu sentimental!). Die große Schwäche dieses Album ist jedoch für mich der Gesang. Das war schon die Schwäche beim Hören des Soundtracks zu Crazy Heart. Im Film fiel das nicht so auf, doch wenn das Bild fehlte, wurde es schwierig. Auf Jeff Bridges wünschte man sich entweder etwas mehr Whiskey in der Stimme oder mehr Dynamik. Beides fehlt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Highlights des Albums die sind, wo Gastsänger zur Unterstützung aufgefahren wurden. Darunter Ryan Bingham, Rosanne Cash, Sam Phillips und Benji Hughes. Der Rest ist völlig ok. Die Produktion von T-Bone Burnette ist gelungen, die Songauswahl erwartungsgemäß auch.

Was von den beiden Alben bleibt sind zwei Hände voll sehr guter Songs, die mich auch noch weiter begleiten werden. Und die Einsicht, dass auch große Unsympathen wie Glen Campbell, eine zweite Chance verdient haben. Und die Hoffnung, dass Jeff Bridges sein Debut mit einem zweiten Album toppen wird.

Und um die ganze Vergleicherei zum Abschluss zu bringen: Während Jeff Bridges in True Grit kürzlich die Rolle des Rooster Cogburn spielte, gab Glen Campbell 40 Jahre zuvor im Original des Westerns den Ranger LaBoeuf - und sang natürlich den Titelsong des Films.



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